Petrus ist heimgekehrt - Der Apostelzyklus ist wieder vollständig

Neben zahlreichen äußeren Renovierungsarbeiten an der Schlosskapelle Blutenburg wurden in den vergangenen 15 Jahren Stück für Stück auch ein Großteil der Figuren überholt. Am längsten dauerte die Überarbeitung beim Petrus, fast 15 Jahre. Nun ist er am 25. April 2004 unter dem wachsamen Auge des  Bayerischen Finanzministers, Prof. Dr. Kurt Faltlhauser, heimgekehrt.

An der Schlosskapelle Blutenburg muss trotz der eher geringen Ausmaße ständig repariert, renoviert und restauriert werden. So wurde die Blutenburger Schlosskirche nach der umfangreichen Sanierung der Schlossanlage und Einrichtung der Internationalen Jugendbibliothek in den Jahren 1980 bis 1983 für weitere zwei Jahre geschlossen und im Innenraum instand gesetzt. Abt Odilo Lechner hielt am 17. Mai 1985 anlässlich des ersten Pfälzer Weinfestes den ersten Gottesdienst in der wieder eröffneten Kirche. Aus der damaligen Zeit stammen die Orgel, die heutige Beleuchtungsanlage und manches, was gar nicht auffällt. Die Bayerische Schlösserverwaltung, die hierfür zuständig ist, musste zuletzt im Jahr 2002 den noch originalen Dachstuhl mit der Dachdeckung und dem Türmchen herrichten (siehe Obermenzinger Bilder Nr. 41, Schriftenreihe der Bürgervereinigung Obermenzing e.V.).

Schritt für Schritt werden auch die kostbaren Apostelfiguren restauriert. Auch hierbei kam allerdings leider nicht ans Licht, wer der Bildhauer dieser farbig gefassten Holzskulpturen war. So wird man ihn weiter „Meister der Blutenburger Apostel“ nennen und festhalten, dass er mit seiner Vorliebe für harte, tiefe Faltenbildung an den Gewändern trotz mehrfach nachweisbarer Tätigkeit im Münchner Raum eher Augsburger Kunsteinflüssen nahe stand. Und man schätzt die Kunst dieses Meisters hoch ein!

Die Überarbeitung der Figuren hat je nach Zustand streckenweise lange gedauert. Am längsten bisher beim Petrus: ungefähr 15 Jahre. Bevor er gänzlich in Vergessenheit geraten sollte, fragte Pfarrer Klaus-Günter Stahlschmidt an hoher Stelle höflich an. „Nun ist er genesen heimgekehrt!“, freut sich Stahlschmidt. „Dabei hat uns Herr Dr. Faltlhauser sehr geholfen, denn sonst würde Petrus wahrscheinlich noch einige Jahre brauchen, um bei uns ankommen zu können.“

 

 
Staatsminister Prof. Dr. Kurt Faltlhauser und Pfarrer Klaus-Günter Stahlschmid bei der Übergabe der Figur

Dieses Ereignis wurde am 25. April im Rahmen eines Gottesdienstes gefeiert. „Es ist schon etwas Besonderes, solch wertvolle Kleinodien in unserer Gemeinde zu haben“, freut sich der katholische Pfarrer.

 

15 Jahre sind schon eine lange Zeit. Was war zu tun?

Bei einer Begutachtung in den 1980er Jahren war aufgefallen, dass die Holzsubstanz partiell sehr stark geschwächt war, obwohl die Skulptur relativ intakt aussah. Es stellte sich heraus, dass die Ursache hierfür ein ölhaltiger Gipskitt war, der in nicht fachgerechter Weise zum Auskitten größerer Fehlstellen im Holz verwendet worden war. In den Grenzflächen zwischen Holz und dem Wasserdampf undurchlässigen Kitt war es zu einem Feuchtestau gekommen, der zum Vermodern des Holzes führte.

Die Figur wurde daher aus der Kapelle in die Restaurierungswerkstätte der Bayerischen Schlösserverwaltung gebracht. In Abstimmung mit den zuständigen Kunsthistorikern wurde ein Restaurierungskonzept entwickelt, das vorsah, die schädigenden und entstellenden Gipsergänzungen sowie unschöne Holzergänzungen und sehr störende partielle Übermalungen zu entfernen. Zunächst erfolgten notwendige Reinigungs- und Festigungsarbeiten an der Bemalung und an der Holzsubstanz .  Mit den Endrestaurierungsmaßnahmen wurde schließlich im Jahr 2001 begonnen. Die Entfernung der Kittsubstanz und unsachgemäßer Holzergänzungen sowie der Übermalung konnte zügig durchgeführt werden.

Sehr viel schwieriger und aufwändiger war die Holzergänzung. Das durch  Holzschädlingsbefall geschwächte Holz wurde bei einer Abformung des Blutenburger Apostels im 19. Jahrhundert partienweise beschädigt und teilweise sogar in größeren Stücken abgerissen. Nach Abnahme des Kitts zeigte sich, dass insbesondere an der rechten Seite so viel Holzsubstanz verloren war, dass einzelne Faltengebungen nicht mehr nachvollziehbar waren. Um die Qualität der Figur wieder erfahrbar zu machen, sollten die notwendigen Ergänzungen durch einen Holzbildhauer ausgeführt werden. Der sog. Blutenburger Meister hat einen sehr Typischen Stil. Mit kantigen und doch auch auf den Höhen abgerundeten Falten erzeugte er eine ihm eigene Stofflichkeit. Die Plastizität steigerte er durch eine perfekte Glättung der Holzoberfläche. Die Holzergänzung stellte daher eine große Herausforderung dar.

 

 
Die restaurierte Figur des Hl. Petrus

Im Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums in Ansbach fand sich glücklicherweise ein Gipsabguss des Blutenburger Petrus. Der gute Erhaltungszustand des Abgusses von 1855 erlaubte seine Benutzung als Vorlage für die Ergänzungen. Die relevanten Faltenpartien wurden vor Ort in Ton nachmodelliert, um dann die Ergänzungen nach den Modellen sowie zusätzlichen Skizzen und Photographien in Holz auszuarbeiten.

Es blieb noch das Problem zu lösen, wie die nach den Tonmodellen zu fertigenden Holzergänzungen in die stark zerfressene Holzoberfläche eingepasst werden können, ohne noch mehr Originalsubstanz zu verlieren. Es ist heute nicht mehr üblich, die geschädigte Holzsubstanz bis zum gesunden Holzkern abzuarbeiten, um Holzteile zum Nachschnitzen blockweise anzustücken. In der Bildhauerwerkstatt der Schlösserverwaltung wurde nun ein effektives und das Objekt schonendes Verfahren erprobt, um die Ergänzungen der extrem zerfressenen Oberfläche passgenau anzugleichen. Zunächst wurde das Oberflächenrelief über eine Trennfolie mit einem Abgussmaterial abgenommen, ohne die empfindliche Oberfläche zu schädigen. Anschließend wurden die vielen einzelnen Formteile mit Hilfe einer Kopierfräse auf Lindenholz übertragen. Die Holzteile wurden dann in den unebenen Untergrund eingepasst und ihre äußerer Gestalt entsprechend der Tonmodelle nachgeschnitzt.

Verbleibende Fugen zwischen Ergänzung und Original sowie kleinere Fehlstellen und offen liegende Fraßgänge im Holz wurden zunächst mit gröberem und dann mit einem sehr feinen Kitt perfekt geschlossen. Die ergänzten Partien mussten im gealterten Holzton eingetönt werden, um sie an das Original anzupassen. Es wurde in einer Stricheltechnik gearbeitet, da so der changierende Farbton des Holzes optimal imitiert werden konnte. So sind auch die jüngsten Holzergänzungen von nahem gut vom Original und den früheren Holzergänzungen zu unterscheiden. Aus der Ferne sind sie jedoch kaum wahrnehmbar. Die Holzergänzung war aufgrund der starken Vorschädigung des Holzes durch "Holzwürmer" die zeitintensivste Maßnahme und erforderte inklusive der Retusche etwa 700 Arbeitsstunden.

Die farbige Fassung der Skulptur war um 1945 unsachgemäß restauriert worden. Bei der Abnahme von Übermalungen aus dem 17. bis 19. Jahrhunderr wurde die Originalfassung stark beschädigt. Weiße Kratzspuren blieben zurück. Um diese zu verdecken, war die Skulptur sehr unsystematisch mit farblich unpassenden Lasuren übermalt worden. Wie bereits erwähnt, wurden diese Überarbeitungen bei den jüngsten Maßnahmen entfernt. Um die restlichen originalen Farbflächen der Skulptur wieder besser ablesbar zu machen, wurden weiße Fehlstellen in den Farbpartien mit dem Umgebungsfarbton geschlossen. Auch extrem störende Flecken im Holz wurden eingetönt.

Da die ursprünglichen Farbigkeit stark reduziert ist, konnte trotz detaillierter Untersuchung nicht für alle Partien eindeutig geklärt werden, wie die Figuren um 1500 aussah. Sicher ist, dass der Mantelsaum ein aufwändiges Brokatmuster aufwies, das aber nicht schlüssig rekonstruiert werden kann. Auch die Farbgebung des Gesichts ist sehr stark reduziert. Bei der Freilegung um 1945 wurde fälschlicherweise eine rötliche Untermalungsfarbschicht freigelegt, welche man für den Inkarnatston gehalten hatte.
Bei allen Arbeitsschritten wurde großer Wert darauf gelegt, den Zusammenklang des Skulpturenzyklus in der Kapelle auf keinen Fall zu stören. Auch die Alterungsspuren sollten nicht vollkommen beseitigt werden. Die Eingriffe beschränkten sich auf Maßnahmen zur besseren Ablesbarkeit der Qualität der Skulptur unter Wahrung ihrer Authentizität. Auch mit Rücksicht auf das Skulpturenensemble wurden an dem Petrus auf großflächige Farbergänzungern verzichtet.

Die Wirkung der Skulptur an ihrem angestammten Platze rechts im Chor zeigt, dass sich die Maßnahme gelohnt hat und die Einmaligkeit der Petrusfigur wieder voll erfahrbar ist.

 

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